Der Palio

Der Palio von Siena

Farben, Menschenmenge, Freudenrufe, eine mit Erde bedeckte  Laufbahn, zehn ungesattelte Pferde geritten von Jockeys  in einem der härtesten Pferderennen der Welt, das in der Regel ca. 100 Sekunden dauert… Dies ist der Palio für diejenigen, die daran zum erstenmal teilnehmen. Für die Sieneser ist das ihr Leben, ihre Leidenschaft und Geschichte. Ein  Spiel wird zu einem wirklichen  Leben, für Schmerz und Freude, Mut und Intrigen, Treue und Verrat. Seit dem Mittelalter wird es zweimal jährlich veranstaltet. Am 2. Juli zu Ehren der Madonna di Provenzano (Palio di Provenzano), am 16. August zu Ehren der Maria Himmelfahrt (Palio dell’Assunta). Der Palio ist das wichtigste Ereignis in Siena. In der Toskana, einer Region voller Unterschiede, erscheint der Palio als die Sublimation, die Essenz des toskanischen Gefühls, die Veredelung des Anders-Seins, des allgemeinen Wettkampfes zwischen benachbarten Gebieten. In Siena,  in einer für die Welt und Kultur offenen Stadt, verläuft die Zeit von dem Palio beinflußt.

Das Jahr der Bürger eines Stadtviertels(Contrada) beginnt am 1. Dezember mit dem Gedenktage von Sant ‚Ansano, dem Stadtpatron von

Siena. Im Frühjahr findet die Auslosung der zehn Bezirke statt, die am Rennen teilnehmen. Von Ende April bis Mitte September, feiert jeder Bezirk eine Woche lang das Fest ihres Schutzheiligen. An speziellen Tagen, erneuern sich die  alten Pakte der Freundschaft und die Bündnisse: die Jugend in den Bezirken trägt  historische Uniforme und marschiert durch die Straßen der Stadt; das Trommelspiel begleitet die Vorführung der Fahnenschwinger.

Auch heute noch nimmt das gesamte Stadtviertel am Leben ihrer Bürger teil: Sei es die Freude über eine Geburt, Schmerz um einen Toten oder die Feier einer Hochzeit, Ihre bürgerliche Aufgabe ist gerechtfertig, denn es ist  so lebendig wie volkstümliche Einrichtung. Die Bezirke sind siebzehn, in den engen, verzweigten Gassen zwischen Altstadtmauern, wo sich angeregte Diskussionen mit dem Lärm von den Tausenden von Touristen verschmelzen.. Diese Institution, die über die Jahrhunderte hinweg unverändert blieb, wird von einem Vorstand regiert und wie eine kleine Stadt verwaltet. Die Sienesen, die an ihrer Stadt mit fast fanatischer Liebe hängen, erleben im Palio die Geschichte ihrer freien Kommune, den Glanz ihrer Militärrepublik. An Spielen, Festen und Turnieren hat es in Siena nie gefehlt: Und eben durch ein leidenschaftliches, lebensnahes Fest, das weit davon enternt ist, nur eine folkloristische Veranstaltung zu sein, lassen die Sienesen den Mythos der einstigen Größe ihres Staates wieder auferstehen, eines Staates, der nie aufgehört hat in ihnen weiterzuleben.
Es war im Mittelalter so und  noch heute immer geschieht es so. Der Palio in dieser Form wurde 1633 gegründet, früher lief man durch die Straßen von einem zum andern Punkt der Stadt – “palio alla lunga”. Ein Stadtviertel (Contrada) ist heute der Mittelpunkt eines gemeinsamsozialen Lebens. Jede kleine Region hat  eine eigene Kirche,  ein Brunnen für die Taufe, ein Museum für ihre Trophäen. Um ihre historische Gebäude zu restaurieren erhält jede Contrade ein jährliches Budget von Monte Dei Paschi di Siena, einen der ältesten Banken der Welt

Der Dom von Siena

Aber wer  den Paliogenuß verstehen will, sollte mindestens vier Tage vorher nach Siena kommen.  Keine des Stadtviertels besitzt eines der Pferde (Halbblüter), die bei den Rennen eingesetzt werden. Eine Kommission inspiziert eine Vorauswahl von ca. 60 Pferden, von denen dann 30 Pferde vier Tage vor dem Rennen an der „Batteria“ teilnehmen dürfen. In sechs oder sieben (manchmal müssen Pferde ein zweites Mal laufen) Proberennen werden jene zehn Pferde ausgewählt, die am Rennen teilnehmen. Welches Pferd welcher Contrada zukommt, entscheidet dann wieder das Los. Diese Auslosung findet vier Tage vor dem Rennen statt und wird „tratta“ genannt. Am Jubel des Stadtteils kann man erkennen, ob der Stadtteil ein gutes oder schlechtes Pferd zugelost bekommen hat. Auf dieses Pferd, welches barbero (Berber) genannt wird und vor dem Rennen in der Kirche der jeweiligen Contrada gesegnet wird, achtet Tag und Nacht ein Reitknecht (barbaresco). Auch die fantini, die Reiter, sind keiner der Contrada zugehörig. Die bestechlichen und als Verräter bekannten Jockeyswerden gemietet. Der fantino erhält sein Honorar vom jeweiligen capitano der Contrada. Letzterer ist für vier Tage gewählt und erhält für diese Zeit absolute Machtbefugnis über seine Contrada. Dies sind Zeiten, in denen Regeln und Verbote verschwinden. Inzwischen geht es los mit Proben und Ritualabendessen.

Gallery